Die Schulter ist ein weichteilgeführtes Gelenk. Bänder, Muskeln und Sehnen spielen eine wesentlich wichtigere Rolle als bei den großen Gelenken der unteren Extremität.
Eine besondere Rolle spielen die Muskeln und Sehnen der Rotatorenmanschette (M. Subscapularis, M. Supraspinatus, M. Infraspinatus, M. Teres minor - auch die lange Sehne des Bizepsmuskels, welche durch das Schultergelenk verläuft ist funktionell der Rotatorenmanschette zuzurechnen).
Kommt es in diesen Bereichen zu Reizungen oder Entzündungen, sind sehr häufig Bewegungseinschränkungen und Schmerzen die Folge. Die Ursachen hierfür sind häufig degenerativ, manchmal auch die Folge eines Unfalls oder einer Überlastung.
Auch das Schultereckgelenk (Acromioclaviculargelenk) und Erkrankungen in diesem Bereich haben nahezu immer Auswirkungen auf eine störungsfreie Funktion der Schulter.
Das Schultergelenk ist weiterhin mit der Funktion der Hals- und Brustwirbelsäule verknüpft, so dass Erkrankungen sich gegenseitig bedingen.
Die häufigsten Erkrankungen des Schultergelenkes in der täglichen Praxis sind:
- Schleimbeutelentzündungen auf dem Boden einer Schultereckgelenksarthrose
- Engpasssyndrome mit schmerzhafter Einsteifung
- Verkalkungen
- Arthrose / Arthritis
- Teil- oder vollständige Risse (Rupturen) der Rotatorenmanschette
- wiederkehrende Luxationen / Instabilitäten
Entsprechend der Arthroskopie (Gelenkspiegelung) des Kniegelenkes wird auch die Schultergelenksspiegelung nach einem Standardvorgehen durchgeführt.
Der Eingriff findet in Allgemeinanästhesie statt. Regionale Verfahren sind aufgrund der anatomischen Situation und der Lagerung des Patienten nicht üblich.
Unterstützend kann ein interskalenärer Block verwendet werden. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, bei welchem der Anästhesist die Nervenstrukturen, welche die Schulter und den Arm versorgen, gezielt aufsucht und betäubt, so dass nach der Arm nach Operation mobilisiert werden kann, der operierte Patient jedoch keine Schmerzen verspürt.
Nach entsprechender Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch (meist wird die sog. „Beach-Chair-Lagerung“ gewählt) wird zunächst eine Bewegungsprüfung des Schultergelenkes durchgeführt. Bewegungseinschränkungen oder Instabilitäten können so genau untersucht werden und liefern dem Operateur weitere wichtige Hinweise zur Optimierung der Therapie.
Nachdem das Operationsgebiet steril abgewaschen und abgedeckt wurde, wird im hinteren Bereich des Schultergelenkes ein Operationszugang (Portal) angelegt, durch welches das Arthroskop in das Gelenk eingeführt werden kann. Nach festgelegter Reihenfolge werden die Strukturen des Schultergelenkes überprüft. Im vorderen Bereich des Schultergelenkes wird ein weiteres Portal angelegt, über welches zunächst ein Tasthaken in das Gelenk eingebracht wird. Krankhaft veränderte Gelenkanteile können so nicht nur mit dem Arthroskop angesehen und fotografiert, sondern auch auf die Art der Veränderung überprüft werden.
Ab- oder Einrisse der Rotatorenmanschette oder der stabilisierenden Gelenklippe, die Struktur und Festigkeit des Knorpelüberzugs, die Beschaffenheit und der Verlauf der langen Bicepssehne, welche ebenfalls durch das Schultergelenk verläuft, sind hier exemplarisch als wesentliche zu prüfenden Strukturen aufgeführt.

Im nächsten Schritt wird das Arthroskop über das hintere Portal in den Raum unter dem Schulterdach eingebracht. Enpass-Syndrome, knöcherne oder entzündliche Veränderungen, Arthrosen des Schulter-Eck-Gelenkes, Einrisse der Muskelmanschette und weitere krankhafte Veränderungen sind auf diese Weise beurteilbar.
Sind die Ursachen der beklagten Beschwerden erkannt, wird über das entsprechende weitere Vorgehen entschieden und die Behandlung durchgeführt.
Die meisten krankhaften Veränderungen lassen sich auf diese Weise minimalinvasiv behandeln, manchmal ist ein weiterer kleiner Hautschnitt notwendig, um die verletzten Strukturen an anatomischer Stelle zu refixieren.
Die Arthroseerkrankung des Schultergelenkes führt häufig zu massiven Schmerzen mit Einschränkung des Bewegungsausmasses und der Lebensqualität.
Die Ursachen hierfür sind vielfältig.
Als häufigste Gründe sind zu nennen:
- Idiopathische Arthrose (Gelenkverschleiß ohne fassbare Ursache)
- Rheumatoide Arthritis
- in Fehlstellung verheilte Brüche des Oberarmkopfes (posttraumatische Arthrose)
- Absterben des Oberarmkopfes nach Fraktur und Unterbrechung der Blutversorgung
- Ausgeprägte Risse der Rotatorenmanschette mit daraus resultierendem Herauswandern des Oberarmkopfes aus der Gelenkpfanne


Sind die Möglichkeiten der konservativen Therapie ausgeschöpft, ist die Implantation eines Kunstgelenkes im Bereich der Schulter eine sehr gute Möglichkeit zur Verbesserung des Bewegungsausmasses und zur Linderung der Schmerzen. Abhängig von der individuellen Situation stehen unterschiedliche Variationen von Kunstgelenken zur optimalen Versorgung zur Verfügung.
Bei einer Arthrose des Oberarmkopfes, bei gut erhaltener Oberfläche der Gelenkpfanne und bei intakter Muskelmanschette sowie jungem Lebensalter des Patienten ist die Implantation eines Oberflächenersatzes als knochensparende Variante möglich. Sollte im weiteren Verlauf eine Wechseloperation notwendig werden, sind die Voraussetzungen hierfür aufgrund des minimalen Knochenverlustes bei der Operation sehr gut.

Schulterkappenprothese, ’Global Cap‘,
Fa. DePuy-Synthes
Bei intakter Rotatorenmanschette aber ungünstigen Knochenverhältnissen des Oberarmkopfes – z.B. bei einem Absterben des Oberarmkopfes nach einer Fraktur und damit beeinträchtigter Blutversorgung – ist die Implantation einer anatomischen, schaftgeführten Prothese, häufig eine Erfolg versprechende Lösung zur erheblichen Linderung der Beschwerden. Abhängig von der Beschaffenheit der Gelenkpfanne kann diese Prothese ohne oder mit Gelenkpfannenersatz implantiert werden.

Anatomische Schulterprothese, ’Global Advantage‘, Fa. DePuy-Synthes
Ist die oberarmkopfführende Muskulatur (Rotatorenmanschette) derart geschädigt, dass eine anatomische Rekonstruktion des Gelenkes nicht mehr möglich ist, bietet die Implantation einer inversen („umgekehrten“) Prothese die Möglichkeit der Beschwerdelinderung. Durch eine Umkehrung des biomechanischen Prinzips und eine hierdurch erzielte Verlagerung des Drehzentrums gelingt es, neben der Schmerzlinderung auch eine Verbesserung der Beweglichkeit zu erzielen.

Inverse Schulterprothese, ’Delta Xtend‘,
Fa. DePuy-Synthes
Die Implantation eines modularen Systems bietet die Möglichkeit, das Funktionsprinzip zu wechseln, ohne die gesamte Endoprothese austauschen zu müssen. So kann ein zunächst anatomisch aufgebauter Gelenkersatz im Bedarfsfall auf ein inverses System getauscht werden, ohne dabei den Schaft wechseln zu müssen. Der Vorteil für den Patienten liegt neben der knochenschonenden Operationstechnik in der kurzen Operationszeit.

modulares Endoprothesensystem, ’Global Unite‘, Fa. DePuy-Synthes
links: anatomischer Aufbau, rechts: inverser Aufbau